Der Digitale Garten als Memex
1945 sah Vannevar Bush, wie er in seinem berühmten Aufsatz „As We May Think“ schreibt, viele Jahrzehnte technologischer Entwicklung voraus. Heute ist seine Vision, nicht zuletzt durch Dendron, wahr geworden. Mein Digitaler Philosophischer Garten (DPG) ist mit diesem Werkzeug erstellt, bzw. im Erstellen begriffen…
„Es gibt einen wachsenden Berg von Forschungen. Aber gleichzeitig wird zunehmend klar, daß wir uns in einer immer stärkeren Spezialisierung festfahren. Der Forschende ist überwältigt durch die Ergebnisse und Schlußfolgerungen tausender anderer Arbeitender - Schlußfolgerungen, die aufzufassen er keine Zeit findet, geschweige denn sie zu erinnern, wie sie erscheinen. Dennoch wird die Spezialisierung zunehmend wichtig für den Fortschritt, und die Bemühung zwischen den Disziplinen Brücken zu schlagen, ist entsprechend oberflächlich. Im professionellen Bereich sind unsere Methoden der Übermittlung und Durchsicht von Forschungsergebnissen Generationen alt und den gegenwärtigen Aufgaben in keiner Weise angemessen. […] Das wahre Problem bei der Auswahl (Datenselektion) liegt allerdings tiefer und ist nicht nur durch die mangelnde Anwendung von Hilfsmitteln in den Bibliotheken oder die schleppende Entwicklung solcher Werkzeuge bedingt. Es ist vor allem die Künstlichkeit der Indizierungssysteme, die es erschwert, Zugang zu den Aufzeichnungen zu bekommen. Egal, welche Daten man in ein Archiv aufnimmt, sie werden alphabetisch oder numerisch abgelegt, und die Information wird (wenn überhaupt) wiedergefunden, indem man Unterabteilung für Unterabteilung durchgeht. Die jeweilige Information kann sich nur an einem Ort befinden, es sei denn, es werden Duplikate benutzt. Zum Auffinden mittels Pfad braucht man Regeln, und diese sind umständlich. Dazu kommt, daß man nach dem Auffinden einer Information das System verlassen und immer wieder neu ansetzen muß. Der menschliche Geist arbeitet anders, nämlich mittels Assoziation. Kaum hat er sich eine Information beschafft, greift er schon auf die nächste zu, die durch Gedankenassoziation nahegelegt wird, entsprechend einem komplizierten Gewebe von Pfaden, das über die Hirnzellen verläuft. Selbstverständlich hat der menschliche Geist auch noch andere Eigenschaften: Pfade, denen man selten folgt, neigen dazu zu verblassen, Informationen sind nicht vollständig dauerhaft, Erinnerungen sind flüchtig. Aber die schiere Geschwindigkeit des Zugriffs, die Komplexität der assoziationspfade, die Einzelheiten der geistigen Bilder sind beeindruckender als alles andere in der Natur. Es ist nicht zu hoffen, daß sich dieser geistige Prozeß vollständig künstlich reproduzieren ließe, aber mit Sicherheit sollten wir davon lernen können. In kleinen Dingen könnte dies sogar umgekehrt weiterhelfen, denn Aufzeichnungen sind relativ dauerhaft. Die erste Idee jedoch, die man aus diesem Vergleich beziehen kann, betrifft die Auswahl. Die Auswahl durch Assoziation - und nicht durch Indizierung - müßte hierzu mechanisiert werden. Wir können nicht hoffen, auf diese Weise mit der Geschwindigkeit und Flexibilität, mit der der menschliche Geist einem assoziativen Pfad folgt, gleichzuziehen, aber es sollte möglich sein, den Geist im Hinblick auf die Dauerhaftigkeit und Klarheit der Ergebnisse beim Aufspüren gespeicherter Themen eindeutig zu schlagen. Stellen Sie sich ein künftiges Arbeitsgerät zum persönlichen Gebrauch vor, das eine Art mechanisierten privaten Archivs oder Bibliothek darstellt. Es braucht einen Namen, und ich denke, fürs erste wird 'Memex' genügen. Ein Memex ist ein Gerät, in dem ein Individuum all seine Bücher, Akten und seine gesamte Kommunikation speichert und das so konstruiert ist, daß es mit außerordentlicher Geschwindigkeit und Flexibilität benutzt werden kann. Es stellt eine vergrößerte persönliche Ergänzung zum Gedächtnis dar.“1
Footnotes
Vannevar Bush. As We May Think. (1945) - Übersetzung aus dem Amerikanischen: Regina Winter: https://web.archive.org/web/20210514232850/http://homepages.uni-paderborn.de/winkler/bush_d.html˄
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