2.2 - Wie kann das dialektische Denken überwunden werden?

Wenn der Widerspruch innerhalb des dialektischen Denkens theoriekonstituierend, beziehungsweise laut der dialektischen Theorie, seinskonstitutiv ist, kann das dialektische Denken nicht durch eine metaphysisch gedachte Widerlegung falsifiziert werden, jedenfalls aus der Perspektive des Dialektikers.

Warum ist das so?

Das metaphysischen Denken folgt den obersten ontologischen und logischen Denkprinzipien, wie z.B. dem Identitätsprinzip, dem Widerspruchsprinzip oder dem Satz vom ausgeschlossenen Dritten… Diese Prinzipien beanspruchen universelle Gültigkeit. Von der Gültigkeit des Non-Kontradiktionsprinzip wird hier ausgegangen, entgegen einer „ontologischen Dialektik“, die von anderen Philosophierenden vertreten wird, etwa, wenn der ontologische Widerspruch als „seinskonstitutiv“ oder als Urentelechie angesehen wird. Welche schwerwiegenden Konsequenzen diese kontraevidente axiomatische Annahme für das philosophische Verständnis der Person hat, macht folgender Gedanke Spaemanns deutlich: „Hegels Dialektik kann verstanden werden als eine Dynamisierung des Personbegriffs. Das Sich-Haben der Person wird hier als Prozeß der Aneignung dessen verstanden, was wir immer schon sind“. Das ontologische Widerspruchsprinzip (principium contra-dictionis) besagt z. B., dass ein bestimmtes Seiendes nicht zugleich und in derselben Hinsicht seiend und nicht seiend sein kann. Das ontologische Widerspruchsprinzip gehört neben dem ontologischen Identitätsprinzip (principium identitatis), dem ontologischen Satz vom ausgeschlossenen Dritten (principium exclusi tertii) und dem ontologischen Satz vom zureichenden Grund (principium rationis sufficientis) zu den obersten ontologischen Grundprinzipen der Philosophia perennis. Mit Husserl kann somit ausgeführt werden: „Der Satz vom Widerspruch regelt alle Wahrheit, und, da er selbst Wahrheit ist, auch sich selbst.“1 Auch ist es klar, dass es sich beim Widerspruchsprinzip z. B. in seiner Anwendung auf sich kontradiktorisch widersprechende Urteile nicht um einen Widerspruch der psychischen Urteilsakte geht, sondern um den kontradiktorischen Widerspruch der Urteilsinhalte, die vom psychischen Sein wesensverschieden sind. Überdies bedingt die Einheit der Wahrheit, dass die Leugnung von Grundwahrheiten notwendig die Negation der Wahrheit schlechthin impliziert.

„Wer die logischen Grundwahrheiten relativiert, relativiert auch alle Wahrheit überhaupt. Es genügt, auf den Inhalt des Satzes vom Widerspruch hinzublicken und die naheliegenden Konsequenzen zu ziehen.“[2]

Das dialektische Denken leugnet jedoch ihre universelle Gültigkeit beziehungsweise hebt sie in ihrem eigenen Denksystem dialektisch auf, da ihre Logik der Widerspruch ist. Dem dialektischen Denken zufolge, ist z.B. Gott mit der Welt identisch und zugleich und in derselben Hinsicht auch wieder nicht. Gott kommt, gemäß dem dialektischen Denken in der Entwicklungsgeschichte der Welt zum erkennenden Bewusstsein seiner Selbst…

Die Wirklichkeit, wie sie von Menschen gemäß seinem Alltagssinn wahrgenommen wird scheint dem dialektischen Denken zu widersprechen. Doch der Dialektiker weiß, dass dies so sein muss und nur scheinbar so ist. Der Dialektiker versteht sowohl den Menschen des Alltags als auch den Metaphysiker und kann beide in sein dialektisches Denksystem integrieren. Beide Menschen gehören verschieden Entwicklungsphasen des einen dialektischen Entwicklungsprozesses an… Der Holzweg ist genauso gut der Weg zur Wahrheit - wie der metaphysische Gottesbeweis, denn Wahrheit und Falschheit bzw. Lüge sind gemäß des dialektischen Denkens eins. Da sie also eins sind, sind sie es auch gleichzeitig und in demselben Sinne gemäß dem dialektischen Denken uneins

Verschenkende Liebe überwindet das dialektische Denken (Private)


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Footnotes

  1. (Husserl, 1900, 161 (165)).˄


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