Was ist Einsicht?

Es gilt die Wirklichkeit und die Dinge der Wirklichkeit zu erschauen, mit Bochenski darf somit gesagt werden: „Das Schauen selbst aber ist ein (innerliches, geistiges) Aussprechen des Phänomens, griechisch λέγειν. Daher ist auf den Namen ‘Phänomenologie’“ im obigen Sinne auch folgende Erklärung Heideggers zum „Phänomen“ zutreffend:

„Der griechische Ausdruck φαινόμενον, auf den der Terminus ‚Phänomen‘ zurückgeht, leitet sich von dem Verbum φαίνεσθαι her, das bedeutet: sich zeigen; φαινόμενον besagt daher: das, was sich zeigt, das Sichzeigende, das Offenbare“ (Heidegger, 1967, Kap. 2.§7;27.)

Einsicht als Weg zur unumstößlich wahren synthetischen universellen Urteilen

Husserl erkennt in seinen Logischen Untersuchungen von 1900 und 1901, wie auch alle späteren realistischen Phänomenologen, die Einsicht, also das geistige Verstehen z. B. eines nicht-emprischen (apriorischen) notwendigen Sachverhalts, der beispielsweise ontologisch im Sosein einer notwendigen Wesenheit fundiert ist, als Grundmethode der Philosophie an. Realistische Phänomenologen erkennen also die Einsicht als einzigen epistemologischen Weg an, der zu unumstößlich wahren synthetischen universellen Urteilen (Urteilsinhalten) führt, die nicht deduziert worden sind. Durch die Methode der Induktion hingegen, kann der Erkennende, wegen des erkenntnistheoretischen Defizits, das aufgrund des generalisierenden Schlusses, ausgehend von einer durch Sinneserkenntnis, innere oder psychologische Erfahrung kontingenter Naturen und Sachverhalte beobachteten, möglichst repräsentativen Einzelbeobachtung ähnlicher Seiender zustande kommt, hingegen nur zu synthetischen problematischen universellen Urteilen gelangen. Die logische Wahrheit ist von der ontologischen Wahrheit, also der Wahrheit des Seins, zu unterscheiden. Erstere wird von Urteilen getragen, das heißt, im engen Sinn können nur Urteilsinhalte wahr oder falsch sein.

„Ohne Einsicht kein Wissen“

„Ich kann Niemanden zwingen, einzusehen, was ich einsehe. Aber ich selbst kann nicht zweifeln, ich sehe ja abermals ein, daß jeder Zweifel hier, wo ich Einsicht habe, d. i. die Wahrheit selbst erfasse, verkehrt wäre; und so finde ich mich überhaupt an dem Punkte, den ich entweder als den archimedischen gelten lasse, um von hier aus die Welt der Unvernunft und des Zweifels aus den Angeln zu heben, oder den ich preisgebe, um damit alle Vernunft und Erkenntnis preiszugeben. Ich sehe ein, daß sich dies so verhält, und daß ich im letzteren Falle – wenn von Vernunft oder Unvernunft dann noch zu reden wäre – alles vernünftige Wahrheitsstreben, alles Behaupten und Begründen einstellen müßte.“ (Husserl, 1900, 143 (148)).

Außerdem schreibt Husserl über diesen Sachverhalt:

„Dürften wir der Evidenz nicht mehr vertrauen, wie könnten wir überhaupt noch Behauptungen aufstellen und vernünftig vertreten? Etwa mit Rücksicht darauf, daß andere Menschen ebenso konstituiert sind wie wir, also vermöge gleicher Denkgesetze auch zu ähnlicher Beurteilung geneigt sein möchten? Aber wie können wir dies wissen, wenn wir überhaupt nichts wissen können. Ohne Einsicht kein Wissen“ (Husserl, 1900, 152 (156)). Zur Einsicht als Erkenntnismethode erklärt Husserl u. a.: „Die ‘Gültigkeit’ oder ‘Gegenständlichkeit’ (bzw. die ‘Ungültigkeit’, ‘Gegenstands- losigkeit’) kommt nicht der Aussage als diesem zeitlichen Erlebnis zu, sondern der Aussage in spezie, der (reinen und identischen) Aussage 2 × 2 ist 4 u. dgl. Nur mit dieser Auffassung stimmt es, daß ein Urteil U (d. h. ein Urteil des In- haltes,BedeutungsgehaltesU) einsehen undeinsehen,daßUwahrist,auf dasselbe hinauskommt. Und dem entsprechend haben wir auch die Einsicht, daß Niemandes Einsicht mit der unsrigen – wofern die eine und andere wirklich Ein- sicht ist – streiten kann. Denn dies heißt ja nur, daß, was als wahr e r l e b t und somit schlechthin wahr ist, nicht falsch sein kann. Nur für unsere Auffassung ist also jener Zweifel ausgeschlossen, dem die Auffassung der Evidenz als eines zufällig angeknüpften Gefühls nicht entfliehen kann, und der offenbar dem vollen Skeptizismus gleichkommt: eben der Zweifel, ob denn nicht, wo wir die Einsicht haben, daß U sei, ein Anderer die Einsicht haben könnte, U ein mit U evident Unverträgliches U’ sei, ob nicht überhaupt Einsichten mit Einsichten unlöslich kollidieren könnten usw. Wieder verstehen wir so, warum das ‘Gefühl’ der Evi- denzkeineandere wesentliche VorbedingunghabenkannalsdieWahrheitdes bezüglichen Urteilsinhalts. Denn wie es selbstverständlich ist, daß, wo nichts ist, auch nichts zu sehen ist, so ist es nicht minder selbstverständlich, daß es, wo keine Wahrheit ist, auch kein als wahr Einsehen geben kann, m. a. W. keine Evidenz“ (Husserl, 1900, 191 (194f.)).

Die These, dass Einsicht der Weg ist, der zu universellen Urteilen führt, hat besonders Fritz Wenisch verteidigt (Wenisch, 1976, 39ff.), (Wenisch, 1988) Wenisch schreibt hierzu:

„Kein Philosoph der Vergangenheit oder der Gegenwart, der in berechtigter Weise ein wahres, universell-apodiktisches Urteil (das nicht Ergebnis einer Deduktion ist) aufstellt, kann dies anders tun als in Anwendung der Methode der Einsicht, mag die Einsicht und ihr Gegenstand nun zu den von ihm (in der Reflexion) ausdrücklich anerkannten Prinzipien gehören oder nicht. Nun finden sich offenbar wahre universell-apodiktische Urteile, die weder Ergebnisse von Deduktionen, noch bloß tautologisch-analytisch sind, wohl bei allen großen Philosophen der Vergangenheit. Wenn es somit zwar viele Philosophen gibt, die nicht ausdrücklich von Einsicht – der Methode der Chreontik – und ihrem Gegenstand – dem objektiv Notwendigen – sprechen, so gibt es wohl keinen Philosophen, der diese Methode nicht angewendet hätte – zumindest gelegentlich. Dies zeigt wiederum, daß die Einsicht und ihr Gegenstand so elementar sind, daß jeder gezwungen ist, beides zumindest stillschweigend vorauszusetzen. Dies trifft nicht nur zu für die, die von beidem nur nicht ausdrücklich sprechen, sondern sogar für die, die beides ausdrücklich in Abrede stellen“ (Wenisch, 1976, S. 139).

Einsicht und das martriale Apriori


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