Personbegriff

Der Personbegriff als ein Würdebegriff

Grundverschiedene Bedeutungen des Wortes ‘Person’

Was kann das Wort „Person“ bedeuten? Wenn von „Person“ die Rede ist, so kann je nach Situation und Kontext sehr Verschiedenes damit gemeint sein. Ab- gesehen von den verschiedenartigen Personbegriffen, die dem Sprechenden zu Grunde liegen können, kann das Wort „Person“ äquivok verwendet werden. Dies ist besonders immer dann der Fall, wenn nicht klar und eindeutig zwi- schen folgenden grundverschiedenen Bedeutungen von „Person“ unterschieden wird:

  • (a) ‘Person’kannalsgedruckteZeichenfolge(P-e-r-s-o-n)aufgefasst werden, die das gesprochene Wort „Person“ stellvertretend vertritt.
  • (b) ‘Person’kann als bedeutungstragendes Wort (λέξις)verstanden werden.
  • (c) ‘Person’ kann als einfacher Name (ὄνομα) für etwas gebraucht werden. Oder auch mit Scheler als „absoluter Name“ im Gegensatz zu relativen Bezeichnungen wie ‘Ich’ und ‘Du’ verstanden werden. Durch die Auffassung der Bezeichnung ‘Person’ als absoluter Name wird also der Wesenszug des In-sich-Stehens (Selbstandes) des personalen Seienden ausgedrückt.
  • (d) ‘Person’ kann gemäß der etymologischen Wortbedeutung etwa im Sinn des altgriechischen Wortes πρόσωπον (Gesicht, Miene, Maske, Rolle) verstanden werden. Dementsprechend kann ‘Person’ auch in der Bedeutung einer sozialen Rollenbezeichnung verwendet werden.
  • (e) ‘Person’ kann als Begriff (Bedeutungseinheit) verstandenwerden.
  • (f) ‘Person’ kann als Idee(ἰδέα)derPersonverstandenwerden.
  • (g) ‘Person’ kann als das Wesen (τὸ τί ἦν εἶναι) dieses realen Menschen verstanden werden.
  • (h) ‘Person’ kann auch als notwendige Wesenheit (εἶδος) verstanden werden, gemäß dieser die Person bzw. das reale Wesen der Person ist.
  • (i) ‘Person’ kann als ein Diesda (τόδε τί), ein reales einmalig-unwiederholbares individuelles Seiendes (z. B. Mensch, Geistwesen oder Gott) aufgefasst werden. Es ist kraft seines Soseins nicht etwas, sondern jemand.
  • (j) ‘Person’ kann als geistige Substanz–geistiger Selbstand verstanden werden, die sich entwickelt und erwacht, Selbstbewusstsein, Vernunft, freien Willen (Selbstkontrolle), Gedächtnis etc. besitzt und deswegen als ‘moralisches Lebewesen’ ein seine eigenen freien Handlungen verantwortendes Subjekt ist. Ferner ist diese geistige Substanz entweder ganz realiter Person oder es ist keine Person, m. a. W. Person bzw. geistige Substanz kann nie, da dies wesensunmöglich ist, nur passiv-potentiell sein.

Den oben aufgezählten grundverschiedenen Bedeutungen von „Person“ liegen z. T. verschiedene Arten von Seienden zu Grunde. So ist es z. B. offensichtlich, dass der Personbegriff und diese reale menschliche Person zwei verschiedene Seiende sui generis sind. Dementsprechend lassen sich ein Begriff in seinem An-sich-Sein und diese menschliche Person als zwei verschiedene Urphänomene, also irreduzible Seiende bezeichnen. Diese sind m. a. W. auf nichts anderes, als sie selbst zurückführbar und deswegen urphänomenal.

Drei basale Personbegriffe

Wie verhältsich die Menge der Personen zur Menge der Menschen und umgekehrt?

Basale Relationen des Personbegriffs zum Menschenbegriff bzw. des Menschenbegriffs zum Personbegriff

Beispiele unterschiedlicher Personbegriffe

Es sollen nun aus der reichhaltigen Literatur über die menschliche Person re- sp. über den Personbegriff bzw. Menschenbegriffeinige wenige Auffassungen exemplarisch beleuchtet werden und einer der erarbeiteten basalen Relationen zugeordnet werden. Stephen Schwarzes Personbegriff (Pb 1) kann folgender- weise zusammengefasst werden: Der Mensch ist ontologisch Person, weil Per- sonsein wesenskonstitutiv seine menschliche Natur ausmacht. Das Personsein des Menschen, und nicht die Zugehörigkeit zu einer biologischen Gattung, die Anerkennung als Person durch andere Personen oder dgl., verleiht ihm eine un- verlierbare sittlich relevante Würde, die er von Anfang an besitzt, bis ihn sein Lebensprinzip verlässt, ob der Mensch in der Vergangenheit, aktuell, oder in Zukunft fähig ist, Versorwerhalten zu aktuieren, spielt dabei keine Rolle.Stephen Schwarzes Personbegriff ist also mit der in diesem Teilkapitel erarbeiteten basalen Relation zwei (bR2; Vgl. Abb. oben) identisch, da seiner Meinung nach einerseits Person, nicht aber Personverhalten zum Wesen des Menschen gehört und andererseits es auch nicht-menschliche Personen geben kann. Robert Spaemanns Personbegriff (Pb 2) ist auch mit der basalen Relation zwei (bRz; Vgl. Abb. 3.7.) identisch, da seiner Meinung nach nicht alle Personen Menschen sein müssen, wohl aber alle Menschen Personen sind. Spae- manns Personbegriff kann also folgenderweise zusammengefasst werden: Der Mensch ist „wesentlich Person“, d. h. zum Menschern gehört es, Person zu sein. Der Erkenntnisgrund hierfür ist der normale erwachsene Mensch mit aktualem Personverhalten bzw. der überaktuellen Fähigkeit, Personverhalten zu aktuieren.

Einen etwas anderen Personbegriff als Schwarz und Spaemann hat z. B. John Locke (1632-1704). Seine Auffassung über die Person beschreibt er in seinem Buch An Essay Concerning Human Understanding’. Lockes Personbegriff(Pb 3) kann wie folgt zusammengefasst werden: Jedes Seiende ist eine Person, das Selbstbewusstsein und Vernunft aktualiter tätigt bzw. früher anderswo getätigt hat und sich daran erinnert. Da das denkende Seiende sich an frühere Hand- lungen des Selbst und an das früher Gedachte erinnert, hat es auch personale diachrone Identität (Persistenz) und unterscheidet sich durch sein eigenes Den- ken von anderem denkenden Seienden. Es kann also nach Locke Menschen geben, die keine Personen sind, weil sie nicht, nicht mehr oder noch nicht denken können. Überdies scheint es nach Lockes Personauffassung auch möglicherweise Seiende geben zu können, die keine Menschen aber Personen sind, weil sie denken. Lockes Personbegriff ist also mit der in diesem Teilkapitel erarbeiteten basalen Relation fünf(bR5; Vgl. Abb. 3.7.) identisch. D. h.John Locke vertritt einen empirisch-funktionalistischen Personbegriff. Abb. 4.5. verdeutlicht die denkerischen Konsequenzen dieser Auffassung. Nach Lockes Personbegriffkann es also menschliche Wesen geben, die „potentielle Personen“ sind. Solche „potentielle Personen“ sind also keine Personen und besitzen deswegen auch keine personalseinshafte Würde, da es Wesen sind, die Person werden können oder im Begriff sind Person zu werden. Folglich ist gemäß Lockes Personbegriff (Pb 3) Personverhalten, in welcher Form auch immer, personkonstitutiv. Überdies kann gemäß dem empirisch-funktionalistischen Personbegriff Personsein nur rein empirisch erkannt werden. Gemäß dieser Personauffassung kann also eine Person entweder dann erkannt werden, wenn aktuiertes Personverhalten aktuell vorzufinden ist oder das überaktuelle Vermögen Personverhalten zu aktuieren vorhanden ist oder aufgrund einer Vermutung, die aufder biologischen Spezieszugehörigkeit basiert. Auch David Wiggins greift auf Lockes Personbegriff zurück und modifiziert bzw. verbessert ihn (Pb 4), indem er u. a. die Vermutung, dass ein bestimmtes Wesen, das physisch Ähnlichkeiten etc. mit normal erwachsenen Wesen an verschiedenen Orten und zu verschiedenen Zeiten, in diesem Fall mit erwach- senen menschlichen Personen, aufweist, höchstwahrscheinlich zur selben biologischen Spezies gehört. Wiggins Personbegriff ist also auch mit der basalen Relation fünf (bR5; Vgl. Abb. 3.7.) identisch und gehört damit auch zur Familie der empirisch- funktionalistischen Personbegriffe. Anhand Lockes Personbegriffund den Versuchen, diesen zu verbessern, wird ein grundlegendes Problem des empirisch-funktionalistischen Personbegriffs deutlich. Der empirisch-funktionalistische Personbegriffe ist also wesentlich durch einen materialistischen Aktualismus geprägt.' D. h. die Frage nach der diachronalen Identität der menschlichen Person,' also die Frage nach dem, was an verschiedenen Orten und zu verschiedenen Zeiten eigentlich die „eine menschliche Person“'6' ausmacht, wird mangels des Substanzseins der Person, also mangels des zu Grunde liegenden Seins bzw. substanzstiftenden Lebensprinzips, zum Problem, das, wie auch immer, philosophisch gelöst werden will.'62 Das empirisch-funktionalistische Personverständnis führt also, konsequent zu Ende gedacht, zur „ontologischen Aufspaltung“ des Menschen. Es wird gemäß dem empirisch-funktionalistischen Denkparadigma zwischen dem rein biologisch lebenden Menschen und den personal lebenden Menschen unterschieden. Locke schreibt deshalb:

„For, since consciousness always accompanies thinking, and it is that which makes every one to be what he calls seif, and thereby distinguishes himself from all other thinking things, in this alone consists personal identity“ (Locke, 1690, II. §9)


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