Was ist der Mensch?

„In einem gewissen Verstande lassen sich alle zentralen Probleme der Philosophie auf die Frage zurückführen, was der Mensch sei und welche metaphysische Stelle und Lage er innerhalb des Ganzen des Seins, der Welt und Gott einnehme“ (Max Scheler)


Die Frage nach dem Sein des Menschen bzw. der menschlichen Person kann als eine Ur- und Grundfrage der gesamten Philosophie begriffen werden. Insofern ist eine präzise Fokussierung der Untersuchung und eine thematische Schwerpunktsetzung eine conditio sine qua non. Außerdem ist es keine Intention dieser Untersuchung, das Mysterium des menschlichen Personseins philosophisch zu entschleiern. Vielmehr will die Untersuchung auf dieses Geheimnis hindeuten und, sofern es dem Licht der natürlichen Vernunft zugänglich ist, es reflektierend beleuchten.

Methodisches

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Thesen zum menschlichen Personsein

Die eine Wirklichkeitsform menschlichen Personseins hat drei Dimensionen. Die nachfolgende Darstellung basiert auf dem – hier thesenhaft – als adäquat vertretenen substanzontologisch-relationalen Personbegriff.

Thesen zum adäquaten Personbegriff

Die Hauptthesen dieser Untersuchung, durch deren Begründung auch ein Antwortversuch auf die Grundfrage ‘Was ist menschliches Personsein?’ gegeben werden soll, werden in der obigen Abb. grafisch dargestellt. Sie lassen sich, wie folgt, zusammenfassen: Der adäquate Personbegriff ist der substanzontologisch-relationale (auf diesem basiert auch die obige Abb.). Dieser wird der menschlichen Person in ihrem An-sich-Sein am besten gerecht.

Thesen zur Grundwirklichkeitsform menschlichen Personseins

Es gibt eine urphänomenale Grundwirklichkeitsform menschlichen Personseins, die auf nichts anderes, als sie selbst es ist, reduziert werden kann, ohne in ihrem eigentlichen Sosein uminterpretiert zu werden. Wenn das notwendige Wesen der Person geistig in den Blick genommen wird, kann erkannt werden, dass die Person ein notwendiges Sosein (notwendiges Wesen) besitzt, das in seinem So-sein-Müssen-und-nicht-anders-sein-Können durch rationale Wesen erkannt werden kann. So kann es z. B. keine Person geben, a) die keine geistige Substanz ist; b) die nicht ontologisch eine(n) unverlierbare(n) objektive(n) Würde / Wert besitzt; c) die nicht ontologisch Rationalität, die nicht ontologisch einen freien Willen besitzt; d) die nicht ein ontologisch fundiertes Selbst oder Ich hat. Die Grundwirklichkeitsform des Menschen ist das geistige Substanzsein im Leib.

Menschliche Person von Anfang an…

Der Mensch ist somit von Anfang an, d. h. sobald und solange er lebt (i. d. R. mit Abschluss der Verschmelzung der menschlichen Gameten bis zum Eintritt des sicheren Todes), menschliche Person und Besitzer einer unverlierbaren ontologischen Würde. Zwar sind nicht alle Personen Menschen, wohl aber alle Menschen Personen, da es das zentrale Wesen des Menschen ausmacht, Person zu sein (Conrad-Martius).

Was ist das Sein des Menschen?

Es stellt sich nun die Frage, was das Sein der menschlichen Person ist? Was sind die Seinscharakteristika von Personsein? Wie unterscheidet es sich vom anderen Sein, z. B. dem unbelebten Ding, der Pflanze, dem Tier? Was zeichnet menschliches Personsein in ontologischer Hinsicht aus? Was konstituiert menschliches Personsein? Lässt sich menschliches Personsein auf ein reines Relationssein reduzieren? Wird das Sein der menschlichen Person mittels bestimmter Fähigkeiten oder Eigenschaften, die dieses im Unterschied zum anorganischen oder animalischen Seienden besitzt, hinreichend bestimmt? Was ist der ontologisch zureichende Grund dafür, dass personal-menschliches Sein in seiner Vollgestalt bestimmte Fähigkeiten und Eigenschaften besitzt, die rein animalisches oder vegetatives Sein nicht besitzt?

Was heißt es in ontologischer Hinsicht für die menschliche Person, eine bestimmte Fähigkeit, wie z. B. das Denken-Können, zu besitzen? Wann hat ein Seiendes eine bestimmte Fähigkeit und wann nicht? Kann zwischen passivem Vermögen (Potenz) und aktivem Vermögen (Potenz) eines Seienden unterschieden werden? Welche Relevanz hat diese Differenzierung für das menschliche Personsein? Kann bzw. muss sie hierauf angewandt werden, um diesem gerecht zu werden?

Mit diesen Fragen hängen weitere, tiefergehende Fragen zusammen: Kann berechtigterweise zwischen Menschsein und Personsein real distinguiert werden, sodass es Menschen gäbe, die keine Personen sind? Gibt es potentielle menschliche Personen, also menschliche Wesen, die im Begriff sind Personen zu werden? Kann der Mensch zur Person werden? Kann zwischen bloßem biologisch menschlichem Leben und dem personalen menschlichen Leben real unterschieden werden? Oder ist der Mensch Person von Anfang an und kann deswegen der Mensch nicht Nichtperson sein? Ist die menschliche Person gar eine dialektische Widerspruchseinheit, die etwas ist, während sie zur selben Zeit und in der selben Hinsicht auch zugleich das kontradiktorische Gegenteil von dem ist, was sie ist? Die menschliche Person wäre demnach zugleich und in derselben Hinsicht a und non-a und auch wieder nicht.

Gibt es überindividuelle Personen? Kann z. B. der gesamte Kosmos eine Person sein? Ist die menschliche Person in Wirklichkeit ein Kontinuum-Sein, das zwischen Menschsein und Personsein oszilliert?

Kann die menschliche Person in etwas Anderem inhärieren, ein Epiphänomen von etwas Anderem sein? Kann die menschliche Person auf das Gehirn reduziert werden? Ist das lebendige Gehirn des Menschen das hinreichende Konstitutionsprinzip der menschlichen Person?

Oder steht die menschliche Person seit ihrer Konzeption bzw. der Fertilisation der menschlichen haploiden Gameten selbständig als unteilbare einmalig-individuelle Ganzheit qua Person für sich? Zwar ist die neue menschliche Person als befruchtete Eizelle noch nicht eigenständig lebensfähig, trotzdem kann gefragt werden, ob sie nicht als in-sich-selbst-stehende unteilbare eimalig-individuelle Ganzheit („Selberkeit […] Sich-selber-im-Sein-und-Sosein-Unterstehen […] personhaften Sich-selber-Können nach Sein und Sosein“) mit aktiver Potenz aufgefasst werden kann? Ist die befruchtete menschliche Eizelle Person, geistige Substanz (Hypostase)? Auf diese Frage kann es keine rein empirische Bestätigung geben und dennoch können mögliche Antworten auch nicht von Empiristen mit höchster Wahrscheinlichkeit oder höherer Gewissheit ausgeschlossen werden, wenn sie nicht dem Paralogismus der petitio principii erliegen wollen. Dieser Paralogismus liegt aber schon als stillschweigende und unbegründete axiomatische Basisbehauptung dem Empirismus zu Grunde. Somit ist hier aufgrund des epistemologischen Defizits vernünftigerweise davon auszugehen, dass möglicherweise der menschliche Embryo eine menschliche Person ist, die nicht getötet werden darf.

Die sich-selbst-bewusste wache und gesunde (normale) menschliche Person zeichnet sich durch bestimmte ihr und nur ihr als einmalige in-sich-selbst kostbarer Person eigene Eigenschaften, Fähigkeiten und Handlungen bzw. potentielle Handlungen aus. Diese Eigenschaften, Fähigkeiten und Handlungen können deswegen auch als personale Eigenschaften, personale Fähigkeiten und personale Handlungen bezeichnet werden. So ist die menschliche Person z. B. im Besitz eines personalen Geistes, eines freien Willens, einer Ratio, eines Gedächtnisses, eines Personzentrums bzw. Herzens, eines Selbstbewusstseins usw. Um diese Sachverhalte vertiefend zu untersuchen, sind bestimmte „philosophische Vorarbeiten“ zu leisten. Diese seien jetzt in Angriff genommen.

Grundwirklichkeitsform der menschlichen Person

Die eine Grundwirklichkeitsform der menschlichen Person besitzt drei unterschiedliche Dimensionen, die sich auch in zeitlicher Hinsicht im Leben der einen menschlichen Person unterscheiden können. Die erste Dimension der Grundwirklichkeitsform ist das noch nicht bewusste bzw. erwachte menschliche Personsein. Die zweite und dritte Dimension der Grundwirklichkeitsform ist das rational-affektiv-bewusste und voluntativ-freie Sein und das qualitativ vervollkommnete / abgewertete Sein der menschlichen Person.

Formen von Personvergessenheit

Die eine Grundwirklichkeitsform der menschlichen Person und jede einzelne ihrer drei unterschiedlichen Dimensionen kann theoretisch und / oder praktisch (faktisch) in Vergessenheit geraten. Dieses Phänomen kann mit Robert Spaemann als „Personvergessenheit“ bezeichnet werden. Jegliche Spielart der Personvergessenheit, z. B. personvergessene Handlungen etc. stellt einen sittlich illegitimen Verstoß gegen den adäquaten Umgang mit menschlichen Personen dar. D. h., jegliche Spielart der Personvergessenheit impliziert einen Verstoß gegen die sog. Personalistische Norm, die besagt: „Die menschliche Person ist um ihrer selbst willen zu bejahen / zu lieben.“ Die Personalistische Norm stellt nicht einfach ein bloßes Gesetz oder eine pure Pflicht dar, sondern ist die einzig angemessene Wertantwort auf das Sein der menschlichen Person.


Untergruppen
  1. Warum besteht ein Wesensunterschied zwischen Mensch und Tier?
  2. Aktive Potenz
  3. Grundwirklichkeitsform der menschlichen Person
  4. Menschl. Natur
  5. Substanz in Relation
  6. Würde

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